Franziskanerkloster Füssen

Die Schöpfung lieben

26. November 2022


Es zählt zu den schönsten Klöstern der Deutschen Franziskanerprovinz: das Franziskanerkloster in Füssen. Wer den Torbogen vor dem langgestreckten Gebäude auf dem Weg zur Klosterkirche St. Stephan passiert, betritt eine Oase der Ruhe – und gleichzeitig geschichtsträchtiges Terrain.

 

Obwohl es November ist, blüht es noch im barocken Klostergarten, von dem aus ein spannendes Ensemble zu sehen ist: Die Klosteranlage mit ihren Walmdächern wurde um 1630 erbaut und ab 1712 mit dem Südflügel erweitert. Auch ein Brauhaus und eine Branntweinbrennerei gehörten einst zur Anlage. Mitte des 18. Jahrhunderts wurde anstelle der Klosterkirche von 1631 ein Nachfolgebau im Rokokostil errichtet. Im Südosten wird der Garten von der mittelalterlichen Stadtmauer mit Wehrgang und Türmen sowie im Nordwesten von der Mauer des Alten Friedhofs begrenzt. Ein perfekter Platz für die Franziskaner, die ihrem Auftrag, sich um Bedürftige und Arme zu kümmern, gemäß oft am Stadtrand siedelten.

7.00 Uhr. Morgenlob in der Klosterkapelle. Sieben Franziskanerbrüder teilen ihren Alltag im Kloster und verwirklichen hier ein Leben in spiritueller Suche sowie in Gehorsam, Armut und Keuschheit. Füssen ist ein Altersruhesitz des Ordens, dem deutschlandweit rund 240 Franziskaner in 30 Klöstern und Konventen angehören.

Jeder der Brüder hat, sofern es Alter und Gesundheit erlauben, eine Aufgabe innerhalb des Klosters und einige auch außerhalb davon. Die Füssener Franziskaner waren bis 2005 vorwiegend im benachbarten Krankenhaus und in der Kurseelsorge tätig. Auch heute arbeiten einige Brüder noch in der Seelsorge, halten Gottesdienste, Hochzeiten und Beerdigungen in der katholischen Pfarreiengemeinschaft der Stadt oder in umliegenden Pfarreien. Ein Bruder arbeitet in der Altenpflege.

 

Gemeinsam beten, arbeiten und leben. Die Werktage folgen einem gleichbleibenden Ablauf. Nach der Betrachtung eines biblischen oder anderen christlichen Textes um kurz vor halb sieben in der Früh und dem anschließenden Morgenlob frühstücken die Brüder. Danach geht jeder seiner Arbeit nach, die in jedem Kloster ganz unterschiedlich aussieht. Um 12.00 Uhr ist gemeinsames Mittagessen, zuvor und danach wird gebetet. In der anschließenden Pause können die Brüder in der Bibliothek lesen, auf ihrem Zimmer ausruhen oder in der Hauskapelle in die Stille gehen. Ab 14.30 Uhr arbeiten sie wieder bis zum Abendgebet und dem Feiern der heiligen Messe in der Kapelle um 18.00 Uhr. Mit dem Abendessen endet der offizielle Tagesablauf.

Ganz unterschiedliche Charaktere kommen in den Klöstern zusammen und wie in einer Familie auch, „ist es nicht immer einfach in einer Gemeinschaft“, erzählt Pater Franz Josef, der erst im September nach Füssen gekommen ist und das Kloster leitet. „Man muss aber nicht mit allen Brüdern befreundet sein. Es geht darum, freundlich und fair miteinander umzugehen und sich gegenseitig zuzuhören, um das gemeinsame Leben zu gestalten.“ In ihrer Freizeit können Franziskaner das machen, was ihnen Freude bereitet: Spaziergänge, Wanderungen, Radfahren – und auch ganz anderen Hobbies nachgehen wie zum Beispiel der Schauspielerei, die einen Klosterbruder begeistert. Auch haben die Brüder Urlaub, um Abstand vom Klosteralltag zu bekommen, und dürfen einmal im Jahr zu Exerzitien. „Jeder hat das Recht, seinen eigenen Weg zu gehen. Wir leben ja auch davon, dass Impulse von außen kommen. Als Franziskaner dürfen wir vieles machen, sofern es für die Gemeinschaft passt„, meint Pater Franz Josef.

 

Neben den Gottesdiensten, die der studierte Theologe mit Priesterweihe in St. Stephan um 9.00 Uhr hält, steht er auch für das Dekanat Marktoberdorf bereit, wenn er dort als Priester gebraucht wird. Momentan pendelt er auch noch zwischen Füssen und München hin und her. In der Landeshauptstadt arbeitet er seit zwölf Jahren als Provinzökonom und ist somit verantwortlich für die Finanzen, die Buchhaltung und die Immobilienverwaltung der Gemeinschaften und Häuser in ganz Deutschland. Dazu gehören auch Einrichtungen wie eine Suppenküche, ein Bildungs- und ein Meditationshaus.

Seit seinem Ordenseintritt war Pater Franz Josef schon an neun Standorten der Franziskaner tätig und mit ganz unterschiedlichen Aufgaben betraut. Nur auf einen Ort festgelegt zu sein, wäre nichts für ihn. „Ich bin jemand, der gerne unterwegs ist und Land und Leute anschaut. Als Provinzökonom habe ich eine fixe Aufgabe – hier in Füssen wird es sich noch herausstellen, was alles möglich ist.

 

Der Kontakt mit den Menschen vor Ort ist eine zentrale Aufgabe der Franziskaner. Von den Einheimischen waren sie schon immer gern gesehen. In früherer Zeit schätzten sie vor allem auch deren Messen, weil die Brüder – anders als die Benediktiner – in deutscher Sprache sangen.

Für Franz von Assisi selbst war die Welt das Kloster. Der Sohn reicher Kaufleute wollte nach einer ausschweifenden Zeit mittellos wie Jesus leben und begab sich als Bettelmönch auf Wanderschaft. Er wollte dort präsent sein, wo Menschen lebten, liebten und litten. Genau darin sieht auch Pater Michael seine Aufgabe. Er ist viel in Füssen unterwegs – zu Fuß oder auch mal schnell mit dem Rad, wenn er in der Krypta der Barockbasilika St. Mang die Morgenandacht hält. So kennen ihn viele Einheimische und Urlauber.

Bis vor kurzem war Pater Michael in der Kur- und Gästeseelsorge tätig, jetzt hilft er in der Pfarreiengemeinschaft mit, gestaltet Gottesdienste, Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen. „Da komme ich mit den Freuden und Nöten der Leute direkt in Berührung. Und für mich ist es schön, wenn ich sie mit meiner seelsorgerischen Tätigkeit unterstützen kann.“ In den 16 Jahren, die der frühere Wirtschaftssekretär der Postgewerkschaft schon hier ist, sind schon viele Kontakte entstanden. „Ich bin nicht in ein Kloster eingetreten, sondern in eine Gemeinschaft, die auch einen Auftrag für die Bevölkerung hat.“

Heimat gefunden hat er zudem in der Tradition Füssens als Kneippkurort. Besonders die Ordnungstherapie von Pfarrer Sebastian Kneipp hat es Pater Michael angetan und er versucht den Kern der Lehre in die heutige Zeit zu übersetzen. So hält er auch Vorträge bei der Volkshochschule und im Biohotel Eggensberger. „Für mich ist es ein Privileg, in Füssen zu sein und ich würde mich freuen, wenn ich noch bis zu meinem 80. Lebensjahr hier aktiv mitwirken kann.

Auch für Bruder Bertrand spiegelt sich das Wirken des Heiligen Franziskus in seiner Arbeit wieder. Nur ausnahmsweise steht er heute in der Klosterküche – immer, wenn sein Mitbruder in Urlaub ist. Dann kocht er Gerichte, die er sich bei seiner Mutter aus Oberschlesien abgeschaut hat. Normalerweise arbeitet er als Altenpfleger im Seniorenzentrum St. Martin in Füssen und kümmert sich im Nachtdienst um die Bedürfnisse der Bewohner. „Mich erfüllt es, bei den Menschen zu sein, die Hilfe brauchen. Die Dankbarkeit, die dabei zurückkommt, berührt mich. Nicht alle Leute bekommen Besuche von Verwandten oder Freunden. Manche sind wirklich sehr einsam, die brauchen jemanden, der ihnen zuhört und für sie da ist.“ Den Lohn, den er und seine Mitbrüder für ihre Arbeit außerhalb des Klosters bekommen, geht an die Ordensgemeinschaft. In seiner Freizeit hat Bruder Bertrand übrigens auch schon geschauspielert und stand auf der Füssener Volksbühne.

 

Die Morgenlerche unter den Füssener Franziskanern ist Bruder Johannes. Um 5.40 Uhr steht er bereits in seinem Arbeitsrevier, der Küche, um das Frühstück für seine Brüder herzurichten. Er ist am längsten von allen hier. Vor 24 Jahren kam er vom fränkischen Gößweinstein nach Füssen. Die Stadt ist längst zu seiner Heimat geworden. „Es gibt so viele tolle Plätze hier, da ist einer schöner als der andere. Und ich mag die traumhafte Landschaft mit den Seen und Bergen, die je nach Jahreszeit immer anders aussieht.

Eine so lange Zeitspanne an einem Ort – das ist eher ungewöhnlich bei den Franziskanern. Im Gegensatz zu den Benediktinern bleiben sie nicht das ganze Leben lang in demselben Kloster, sondern wechseln meist nach drei, sechs oder neun Jahren. Sie werden nach Absprache an einen anderen Ort geschickt und dort oft auch mit einer ganz neuen Aufgabe betraut. Bei Bruder Johannes ist das anders, denn der gelernte Bäcker managt die Klosterküche seit seiner Ankunft: Speisepläne schreiben, einkaufen gehen, kochen – das leibliche Wohl seiner Mitbrüder liegt ganz in seinen Händen. „Ich finde es immer wieder spannend, wie aus vielen Kleinigkeiten immer wieder ein anderes Gericht entsteht. Ich bin eher der Kreativkoch.“ Auch das kleine Gemüsebeet und das Gewächshaus im Barockgarten liefern ihm die ein oder andere Zutat. Und obwohl sich die Tage von außen betrachtet gleichen, empfindet er jeden Tag als Abenteuer. „Erst wenn man sich ganz schenkt und hingibt, kann man auch wieder etwas weiterschenken und dann kommt alles zu einem zurück. Durch den Glauben sind Türen in mir aufgegangen, von denen ich zuvor nichts wusste. Ich bin nie gleich, der Herrgott ist nie gleich und so bleibt es immer spannend. Eine Begegnung tief im Herzen.

 „Wenn ihr mit dem Mund den Frieden verkündet, so versichert euch, ob ihr ihn auch, ja noch mehr, in eurem Herzen habt. Niemand soll durch euch zu Zorn oder Zank gereizt, vielmehr sollen alle durch eure Sanftmut zu Friede, Güte und Eintracht angehalten werden. Denn dazu seid ihr berufen, Verwundete zu heilen, Gebrochene zu verbinden und Verirrte zurückzurufen.“

Franz von Assisi

Der heilige Franziskus. Mit seiner Mission hat er schon die Herzen vieler berührt. Im Füssener Kloster ist er nicht nur im Geist der Brüder präsent, sondern auch in vielen Bildnissen. In dem schlicht gehaltenen Bau erinnern historische Gemälde und Skulpturen in den Gängen und Fluren an das Wirken des Heiligen und von Jesus Christus. Die meisten Werke stammen aus der Barockzeit wie zum Beispiel die Madonnenskulptur des bekannten Füssener Barockbildhauers Anton Sturm. Auch moderne Werke wie der gemalte Sonnengesang, den Franz von Assisi als Loblied auf die Schöpfung schrieb, zieren die Wände.

In einem Raum steht ein besonderes Stück: Der Betstuhl von Königin Marie von Bayern, der Mutter des Märchenkönigs Ludwig II., auf dem die Protestantin 1874 vor dem Bischof von Speyer das katholische Glaubensbekenntnis ablegte – allerdings konvertierte sie nicht in Füssen, sondern in der Pfarrkirche Waltenhofen.

 

Ein besonderes Kunstwerk ist auch der Blick auf die Altstadt und die Berggipfel gegenüber vom Kloster. Der Künstler Domenico Quaglio, einer der bedeutendsten Architekturmaler der deutschen Romantik, bannte diese Aussicht im 18. Jahrhundert auf Leinwand. Die Lage der Ordensniederlassung hier in Füssen hätte Franz von Assisi sicher begeistert. Denn er sah die Welt als göttliche Schöpfung und als Netzwerk, in dem alles miteinander verwoben ist. So war die Natur für ihn „Mitwelt“ und keine „Umwelt“. Hinter der Klosterkirche St. Stephan gibt es eine kleine Überraschung. Die Inschrift über dem Tor, an dem die Sackgasse endet, erinnert daran, dass hier in Füssen die Romantische Straße endet, die über 460 Kilometer von Würzburg in die Stadt am Lech führt und in den Städten an dieser Tourismusroute den ganzen Reichtum abendländischer Kunst, Kultur und Geschichte zeigt. Vom benachbarten Wehrturm ist die Aussicht auf Füssen besonders romantisch. Dieser wurde vom Kloster lange Zeit als Gästehaus für Pilger genutzt und ist nicht öffentlich zugänglich.

Pater Franz Josef freut sich schon darauf, all die Schätze seiner neuen „Heimat“ zu erkunden. „Ich kenne das Haus und die Umgebung schon von Urlauben her. Und obwohl ich ein Flachlandtiroler bin, liebe ich die Berge sehr. Auch das Tannheimer Tal hat es mir angetan. Ich habe hier schon ein paar schöne Wege gefunden.“ Er hofft, dass auch zu den Menschen in der Stadt eine gute Verbindung entsteht. Bald wird er seine Aufgabe als Provinzökonom in München abschließen und sich ganz auf die Leitung des Füssener Klosters konzentrieren. „Wir als Franziskaner brauchen den Kontakt mit den Menschen. Wir stehen nicht über den Leuten, sondern sind auf Augenhöhe mit ihnen und reden ihnen zu.“

Einige Ideen für das Kloster hat er schon im Kopf. Ob sie umsetzbar sind, muss sich aber erst noch weisen. Letztendlich treffen die Brüder eine gemeinschaftliche Entscheidung. „Wir haben einen großen Garten, da gucken viele Menschen rein, weil das Tor immer offen ist. Über eine App könnten wir dort etwas über den heiligen Franziskus und das Kloster erzählen und mit den Leuten ins Gespräch kommen.“

 

Ein Kloster mit Geschichte

Das Kloster ist wie die Klosterkirche dem heiligen Stephan gewidmet. Es wurde während der Gegenreformation vom Augsburger Fürstbischof Heinrich von Knoeringen und dem Abt des Benediktinerklosters Sankt Mang gegründet – nachdem die Jesuiten, die ebenfalls im Zuge der Gegenreformation nach Füssen gekommen waren, die Stadt wieder verlassen hatten. Die ersten Franziskaner kamen aus Reutte hierher und so gehörte das Kloster zunächst zur Tiroler Franziskanerprovinz. Zeitweise lebten hier bis zu 25 Patres und Laienbrüder. Im Zuge der Säkularisation wurde das Kloster 1805 dem bayerischen Staat übereignet und zunächst geschlossen. König Ludwig I. von Bayern erlaubte 1835 die Wiedererrichtung und gab dem Kloster die Bestandsgarantie. Seit 1979 ist es Eigentum der Diözese Augsburg, die es Mitte der 1980er Jahre aufwändig renovierte.