Die Wildfütterung am Bannwaldsee

Leckerbissen für das Ammergauer Rotwild

22. Februar 2023

„Natürlich müssen wir ihnen ein paar Leckerbissen anbieten, damit sie wiederkommen“, lacht Roland Schörkuber, „also verwöhnen wir das Rotwild ein bisschen.“ Er wirft eine weitere große Futterrübe auf den Boden. Roland ist Berufsjäger in Schwangau, etwas nordöstlich von Füssen. Er engagiert sich für die Erhaltung des Wildbestandes in den Ammergauer Alpen. Eine der Maßnahmen ist die Wildfütterung. Täglich werden etwa 180 Wildtiere gefüttert. Und Schwangau ist einer der wenigen Orte, an denen man dieses Spektakel miterleben kann.

 

Hungrige Hirsche und schutzbedürftige Natur

Von Ende Dezember bis zum Frühlingsbeginn werden die hungrigen Hirsche aus dem Ammergebirge gefüttert. Jeden Tag schaufeln Roland und sein Kollege Wolfgang Schweiger kiloweise Futter in die Tröge. Heute darf ich sie dabei begleiten. Seit ich auf dem Weg nach Schwangau war, brennt mir eine Frage auf den Lippen: Warum werden die Hirsche überhaupt und warum gerade hier am Bannwaldsee gefüttert? „Es ist eigentlich normal, dass das Rotwild im Winter aus den Bergen ins Voralpenland kommt, schließlich findet es in den Bergen durch den Schnee kaum Nahrung mehr“, erklärt Wolfgang. „Doch die Natur hier im Flachland ist mittlerweile durch die Siedlungen und den Forggensee beeinträchtigt und bietet nicht mehr so viel Nahrung wie früher, deshalb würden die Hirsche nicht mehr unbedingt hierher kommen, wenn wir im Winter nicht zufüttern würden.“ Die Folge: Die Hirsche würden in den Bergen bleiben und alles fressen, was sie dort finden können. „Damit würden sie ihren eigenen Lebensraum, den Wald, zerstören“, ergänzt Roland.

 

Schutz und Schönheit: die Bedeutung des Bergmischwaldes

Und nicht nur für das Wild ist es wichtig, den Bergmischwald zu erhalten. Der Wald hat nämlich viele Funktionen: Er bietet unter anderem Schutz vor Lawinen, wirkt sich positiv auf das Klima aus, dient der Erholung und zudem ist das Holz ein wichtiger Rohstoff. „Wir gehen nachhaltig mit dem Wald um: Es wird immer weniger entnommen als nachwächst. Der Wald muss die Chance bekommen, sich natürlich zu verjüngen. Wenn das Rotwild anfängt, die Jungpflanzen anzuknabbern, wird das nicht passieren“, erklärt Wolfgang.

 

Langsam aber sicher tauchen die Hirsche auf
Damit die Tiere auch wirklich ins Voralpenland herunterkommen, bekommen sie jeden Tag eine leckere Mahlzeit serviert. Diese beinhaltet Heu, Apfeltrester und Futterrüben. Als die beiden Jäger die Schaufel des Traktors füllen, bin ich nicht die Einzige, die das duftende Heu riecht. Aus dem Schatten des Waldes tauchen langsam immer mehr Hirsche auf. Unerschrocken schreiten die männlichen Tiere mit ihren riesigen Geweihen zu den Futtertrögen, die Roland zuerst füllt. Etwas zögernd folgen die Hirschkühe und -kälber. Erstaunlicherweise weichen die Tiere kaum aus, wenn Roland den Traktor über das Gelände fährt, um das Futter zu verteilen. „Sie haben sich inzwischen an uns gewöhnt“, sagt Wolfang. An mich noch nicht. Sobald ich ein paar Schritte vorwärts gehe, schauen mich Dutzende von Augen an. „Nun, sie kennen dich nicht und du riechst anders. Wahrscheinlich besser“, lacht Wolfgang.

Das Fratzenbuch des Ammergauer Rotwilds

Wie gut die Wildtiere und die beiden Jäger einander kennen, zeigt sich wenig später. Ein stämmiger Hirsch mit asymmetrischem Geweih nähert sich der Futterstelle, die nur wenige Dutzend Meter von mir entfernt ist. „Das ist Schaufler“, sagt Roland. Er drückt mir ein Heft in die Hand: Auf der linken Seite ist immer ein Bild des Geweihs, auf der rechten Seite ein Bild des Hirsches mit seinem Namen und Alter darunter. Der Berufsjäger macht jedes Jahr ein solches Heft. Die Überraschung steht mir offenbar ins Gesicht geschrieben. „Ja, was glaubst du denn? Ich bin im Winter jeden Tag morgens und nachmittags hier und komme den Tieren so nahe. Natürlich kann ich sie dann unterscheiden. Ein Bauer kennt seine Kühe doch auch, oder?

 

Eine Vorstellung mit Hirschen, ohne Applaus

„Und jetzt: das Grande Finale“, sagt Roland im Gehen. Er schaufelt Futter in die Behälter, die am nächsten zum Holzzaun stehen. Wolfgang öffnet derweil pünktlich um 15.00 Uhr das Gatter zum Gelände, sodass die dort wartenden Besucher nun auch die Hirsche aus der Nähe betrachten können. In den ersten Minuten klingt es wie ein Chor von „Ahs“ und „Ohs“. Es ist auch etwas ganz Besonderes, die Wildtiere, die man im Sommer bei einer einsamen Bergwanderung vielleicht mal von Weitem zu Gesicht bekommt, jetzt in so großer Zahl und so nah zu erleben. Roland stellt sich auf einen Baumstumpf und erzählt den Besuchern über das Wie, Was und Warum der Wildfütterung. Er erklärt auch, dass Wildtiere im Winter auf Sparflamme leben: Um zu überleben, sind Nahrung und Ruhe notwendig. Deshalb ist es auch so wichtig, bei Winterwanderungen, Schneeschuh- und Skitouren ihren Lebensraum so weit wie möglich zu meiden und vor allem die Tiere nicht zu erschrecken, weil dann ihr Fluchttrieb geweckt wird und die Flucht zusätzlich Energie kostet. „Obwohl ein Applaus am Ende der Vorstellung durchaus geschätzt wird, schlage ich vor, dass Sie dies nicht tun. Sonst ist die Vorstellung sehr schnell vorbei“, schließt Roland seine Geschichte scherzhaft ab. Und so genießen wir diese besondere Szene noch eine Weile in Ruhe.

 

Die Wildfütterung: Wo und wann?

Die Wildfütterung am Bannwaldsee findet vom 25. Dezember bis in den März hinein (abhängig von der Schneelage) täglich um 15.00 Uhr statt. Der Besuch der Wildfütterung ist kostenfrei. Das Gelände wird um 15.00 Uhr geöffnet und die Fütterung dauert etwa eine halbe Stunde. Um die Ruhe der Tiere beim Fressen zu gewährleisten, können die Besucher das Gelände während der Fütterung nicht verlassen und dürfen auch keine Hunde mitbringen. Berufsjäger Roland Schörkhuber erzählt während der Wildfütterung etwas über die Tiere, die Fütterung und den Naturschutz erzählen und er und sein Kollege stehen nach der Fütterung für Fragen zur Verfügung. Zudem finden Führungen zur Wildfütterung „Naturführung mit dem Jäger zur Wildfütterung“ statt. Vom Parkplatz Karbrücke in Schwangau-Brunnen aus erreicht man das Gelände in der Nähe des Bannwaldsees zu Fuß in etwa einer halben Stunde, zum Beispiel über die Winterwanderroute „Zur Wildfütterung“. Es ist auch möglich, eine Kutschfahrt ab Schwangau-Brunnen zur Wildfütterung zu buchen:

Kutsch- und Schlittenfahrten Andreas Kotz, Tel. 08362 8581, Kotz-brunnen@t-online.de oder

Kutsch- und Schlittenfahrten Otto Kotz, Tel. 08362 8094