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Allgäuer Südsee(n) 

Seenhüpfen rund um Füssen

11. August 2023

Tiefblau, Sommerbrise, Grillenzirpen, Eis, Abkühlung – ein paar Worte und schon geht das Kopfkino los. Wer sich nach mehr sehnt, der kann an den vielen Badeseen rund um Füssen erleben, wie schön sich der Sommer hier anfühlt: beim Baden, Paddeln, Surfen oder auf dem Schiff. Jeder See ist ein Naturparadies für sich und lässt sich ringsherum oder im und auf dem Wasser auf ganz eigene Weise erkunden. Hier eine glasklare, frische, blaue und sommerliche Seentour.

 

1. Der Alatsee und seine Wasserkönigin

 

6.00 Uhr in der Früh, 7 Grad Außentemperatur, 16 Grad hat das Wasser: Obwohl die Füssenerin Manuela Dreier den Winter überhaupt nicht mag, ist ihr beim Schwimmen Kälte egal. An 300 Tagen im Jahr zieht sie auf jeden Fall ihre Runden in dem Bergsee – seit über 20 Jahren, bei jedem Wetter und zu jeder Jahreszeit, außer wenn es schneit oder der See zugefroren ist. „Ich war schon immer eine Wasserratte. Ohne Wasser könnte ich gar nicht sein, es ist lebensnotwendig für mich. Das Schwimmen schenkt mir viel Ruhe und setzt Glückshormone frei. Ich bin viel ausgeglichener und ich bleibe körperlich fit.“ Und sie ist nicht die Einzige, die zu einem Frühbad ins kühle Nass taucht: „Meistens sind ein paar Mitstreiter hier, die die gleiche Leidenschaft haben. Manchmal kommen auch Freunde von mir mit, aber denen ist es oft zu kalt.“ Die Kühe von der Weide gegenüber haben auf jeden Fall immer ein wachsames Auge auf die Schwimmerin.

Zum Aufwärmen läuft die Ayurveda- und Lifestyle-Coachin vom österreichischen Ort Vils hinauf zum Alatsee und hat auch im Sommer immer eine Mütze sowie eine dicke Jacke dabei, damit sie nach dem Schwimmen nicht auskühlt. Aber wie schafft sie es, den inneren Schweinehund so eiskalt zu überlisten? „Das braucht anfangs schon Disziplin. Aber dann wird es wie Zähneputzen zur Routine und heute mache ich das einfach ohne nachzudenken.“ Auch wenn sie in Füssen die Auswahl an Seen hat, bleibt sie dem Alatsee treu. „Mir war noch nie langweilig hier. Das Licht und das Wasser sind jeden Tag anders und er hat eine ganz eigene Energie, die ich besonders spüre, wenn ich darin schwimme.“

 

2. Der Weißensee und seine Saubermänner

 

Eineinhalb Stunden später und einen See weiter sorgen Kurt Seibold und Oliver Schneider vom Bauhof der Stadt Füssen dafür, dass Badegäste die große Liegefläche am Nordwestufer des Weißensees, die Kneippanlagen und den Spielplatz gepflegt vorfinden und dass alle Mülleimer geleert sind. An den anderen Füssener Seen sind ihre Kollegen ebenfalls in Zweierteams unterwegs, in der Saison täglich, auch am Wochenende. Drei große Abfallsäcke bringen die beiden alleine vom Weißensee jeden Tag zum Wertstoffhof.

Auch am Uferrand sammeln sie Unrat ein. Entlang der idyllischen Fuß- und Radwege rund um den See gibt es sensible Moorwiesen mit seltenen Pflanzen wie zum Beispiel dem Stengelenzian, der im August blüht. „Wir können alle etwas dazu beitragen, unsere Naturräume zu schützen und sauber zu halten. Statt einen Coffee-to-go zu holen, könnte zum Beispiel jeder einen eigenen Kaffeebecher zum Kiosk mitbringen, das würde schon viel Müll sparen. Und wenn eine Luftmatratze oder ein Klappstuhl kaputt geht, besser daheim entsorgen.“

© Silke Winkler

Und während die beiden ihren Hänger beladen, sind auf dem gekräuselten Wasser schon laute bunte Tupfer zu sehen. Heute ist die perfekte Brise fürs Wind- und Wingsurfen, einer Trendsportart, bei dem Surfer auf ihrem Board stehend einen „Flügel“, den Wing, in den Wind  halten. Meistens sind es Einheimische, die sich vor der Arbeit noch einen „Wasserkick“ holen. Wer also sehen will, wie sie über den See sausen, muss ganz früh dran sein, denn bei richtiger Wind- und Wetterlage sind manche schon ab 5.00 Uhr auf dem Wasser.

 

3. Das Oberseebad und sein Meisterpaar

 

So idyllisch und versteckt liegt das Oberseebad im Faulenbacher Tal! Das Wasser schickt der höher gelegene Alatsee mit dem Faulenbach hinunter. Bevor die ersten Badegäste um 10.00 Uhr ihre Runden im Naturbad drehen, gibt es einiges zu tun. „Äste und Zweige von den großen Bäumen einsammeln, die Wasserrutsche überprüfen, nach Angelhaken tauchen oder Pilze sammeln, damit Kinder sie nicht essen“, erklärt das Schwimmmeisterpaar Ivonne Westman und Michael Frischbutter. „Der Obersee ist ein Biotop mitten im Wald, also etwas völlig anderes als ein normales Freibad. Hier gibt es Frösche, Eidechsen, Eichhörnchen und sogar Siebenschläfer. Das Wasser ist moorig, erwärmt sich bei Sonne also rasch, kühlt aber genauso schnell wieder ab.“

Beide mögen die Ruhe, vor allem am Morgen und am Abend. „Die ist wirklich gigantisch. Kein Lärm, keine Autos, kein Smog, sondern nur Vogelgezwitscher. Hierher kommt man nur zu Fuß oder mit dem Rad. So entdecken auch die Urlaubsgäste den Obersee oft zufällig beim Wandern oder Radfahren und schauen dann am nächsten Tag zum Baden vorbei.“

© Stadtarchiv Füssen

Und so sah das Badeparadies vor 100 Jahren aus. 1923 wurde neben dem Mitterseebad das Bad am Obersee eröffnet und beide standen bei den Füssenern von Beginn an hoch im Kurs. Schwimmen, rutschen, Wettbewerbsspringen, flanieren und Kaffeetrinken inmitten der Natur, das war schon damals Luxus pur. 2020 wurde das Oberseebad von der Stadt Füssen umfangreich saniert. Seitdem gibt es neben den Badestegen, den Sprungtürmen und dem schwimmenden Badefloß und dem Kinderspielplatz auch ein Beachvolleyballfeld. Außerdem ist das Bad barrierefrei und behindertengerecht gestaltet worden.

Unterstützung bei ihrer Arbeit bekommt das Schwimmmeisterpaar an manchen Tagen von Jugendlichen von der Wasserwacht Füssen, bei der Ivonne Westman Jugendleiterin ist. Auch ihr Partner Michael Frischbutter engagiert sich dort ehrenamtlich als stellvertretender technischer Leiter. So sind sie im Sommer an einigen Wochenenden am Forggen- oder Bannwaldsee gemeinsam im Einsatz und halten Wache an den Badestränden. Den Wochenenddienst am Oberseebad übernehmen dann die Ehrenamtlichen von der DRLG Füssen.

 

4. Der Hopfensee und seine Wasserfans

 

Ah, was für eine Wolkenstimmung! Für schöne Wassertage braucht es nicht zwingend Sonnenschein. Gerade Wetter „mit Charakter“ lässt die Landschaft alle paar Minuten in einem anderen Licht erscheinen. „Das Panorama ist einen Ticken übertrieben“, meint Nico Pietzsch, einer der beiden Geschäftsführer vom Bootsverleih Marina Hopfensee und lacht dabei. „Da komme ich früh morgens ans Ufer runter, die Sonne scheint und der glatte See und die Berge liegen vor mir, das ist schon besonders.“ Der gebürtige Potsdamer kannte die Gegend bereits vom Motorradfahren. Doch dass er an der Riviera des Allgäus gelandet ist, war reiner Zufall. Bei seiner Arbeit in München lernte er den damaligen Betreiber des Bootsverleihs kennen, der einen Nachfolger für seinen Familienbetrieb suchte. Lange überlegt hat Nico Pietzsch nicht, 2017 kam er an den Hopfensee und vermietet seitdem zusammen mit Thorsten Dischereit Tret-, Ruder- und Elektroboote, seit 2020 auch StandUp-Boards (SUP) und Kajaks und im Im letzten Jahr kamen noch Kanadier dazu. Auch einen Kiosk mit Eis und Getränken gibt es. So können die Hopfensee-Fans nach ihrer Bootstour noch gemütlich zusammensitzen und die Aussicht genießen. „Das macht wirklich Spaß mit den Leuten. Ich mag das einfach. Da kommen nicht selten welche vorbei, die den Platz und den Verleih schon seit 40 Jahren kennen. Spannend, was die alles zu erzählen haben.“

© Tourismusverband Ostallgäu

Alle Reparaturen an den Booten und Wassersportgeräten macht der Allrounder selbst. Während der Saison ist er von frühmorgens bis am Abend im Verleih. Der Hopfensee ist einer der wärmsten Seen im Voralpenland – deshalb öffnet er je nach Wetterlage als erster Bootsverleih in der schon im April und schließt als letzter Ende Oktober. Danach muss alles abgebaut und im März wieder aufgebaut werden, auch die Einstiege ins Wasser und Stromanschlüsse. Und auch im Winter gibt es keine längere Pause, denn der Kiosk wird zum Glühweinstand umfunktioniert. Kommt er bei so viel Arbeit noch selbst aufs Wasser? „Ja, mal 10 Minuten mit dem SUP, aber auch nicht jeden Tag, leider.“

 

5. Der Forggensee und sein Kapitän

 

Wer hat bei seinem Job schon solch traumhaften Aussichten? Mehr Idylle geht fast nicht. Harry Keller und seine Kollegen von der Forggenseeschifffahrt Füssen erleben den flächenmäßig größten Stausee Deutschlands jeden Tag in einer anderen Stimmung. Und wer den Kapitän in der Kabine der MS Füssen sitzen sieht, spürt sofort: Dieser Mann liebt, was er tut. „Wasser war schon immer meins. Ich bin in Hopfen am See groß geworden und habe als Bootsjunge beim Bootsverleih gearbeitet, später Segeln, Surfen und Tauchen gelernt, meine große Leidenschaft.“ Zur Schifffahrt kam er allerdings als Quereinsteiger und fährt nun in der 20. Saison auf dem Forggensee.

Während der Schifffahrtssaison von Anfang Juni bis Mitte Oktober sind die MS Füssen und die kleinere MS Allgäu bis zu acht Mal täglich unterwegs, zudem abends zu Sonderfahren wie „Sisi & Ludwigs Musicalschiff“ mit Janet Chvatal und Marc Gremm, den ehemaligen Hauptdarstellern des Musicals Ludwig² im Festspielhaus Neuschwanstein.

„Wir haben Gäste aus aller Welt auf unseren Schiffen und die sind wirklich begeistert, wenn der Forggensee mit seinem Schmelzwasser türkis wie in der Karibik leuchtet. Zusammen mit den Bergen und dem Blick auf die nahen Königsschlösser ist er wirklich einmalig. Außerdem schaut die Landschaft vom Schiff ganz anders aus“, erzählt Kapitän Harry Keller. Doch der Traumjob auf dem Traumsee ist auch herausfordernd. Auf dem Wasser sind Segler, Surfer, StandUp-Paddler, Angler, Kanu- und Kajakfahrer und natürlich Schwimmer unterwegs. „An schönen Tagen sind mehrere hundert Boote auf dem Wasser. Ich muss sehr vorausschauend fahren, denn ein Schiff hat ja keine Bremse und ich bin nicht nur verantwortlich für meine Fahrgäste, sondern auch für die anderen Leute auf dem See.“ Bei den abendlichen Sonderfahrten müssen sogar zwei Kapitäne auf der Schiffsbrücke stehen, um Sportboote ohne Licht mit dem Radar rechtzeitig auszumachen.

Und was macht der Kapitän im Winter? „Da werden die Überstunden vom Sommer abgebummelt und die Schiffe winterfest gemacht. Im Frühjahr werden sie gestrichen und die Motoren überholt. Es geht also nicht nur um das Schifffahren, sondern man braucht auch technisches Verständnis für den Job.“

 

6. Die blaublütigen Seen und ihr berühmter Vorschwimmer

© Tourismusverband Ostallgäu

Bild links © Tourismusverband Ostallgäu

Einmal in den Oberarm kneifen und mit den Augen blinzeln. Ja, sie sind immer noch da und sogar ganz echt. Gleich zwei Märchenschlösser sind vom Schwansee aus zu bewundern: Neuschwanstein und Hohenschwangau. Wer in den kleinen See im Schwanseepark steigt, nimmt sozusagen ein königliches Bad. Mystisch.

Kaum zu glauben, dass Bayernkönig Ludwig II. und Erbauer des weltberühmten Schloss Neuschwanstein schon als Kind mit seinen Eltern und seinem Bruder hier entlang spazierte. Sein Vater Maximilian II. ließ den Schwanseepark im 19. Jahrhundert nach dem Vorbild englischer Landschaftsgärten anlegen, damit seine Familie entspannt die Natur erkunden konnte. Schwimmen ging Ludwig aber vornehmlich im Alpsee, der eingebettet in die Bergwälder unterhalb von Schloss Hohenschwangau liegt und vom Schwansee aus über den Fischersteig in einer gemütlichen halben Wanderstunde zu erreichen ist. Der Monarch war übrigens ein hervorragender Schwimmer. Bereits als 14-Jähriger soll er den Alpsee an seiner längsten Stelle, die fast zwei Kilometer misst, in 22 Minuten durchschwommen haben.

Am Alpsee war es auch, wo der Komponist Richard Wagner den jungen König Ludwig 1867 mit einer Inszenierung aus seiner Oper Lohengrin beeindruckte. Das Orchester spielte am Seeufer, während des Königs Adjutant, Prinz Paul von Thurn und Taxis, in Ritterrüstung in einem prachtvoll beleuchteten Nachen über den See gezogen wurde. Gerne ließ sich der König auch selbst in einem Boot über den See treiben.

Auch wenn heute kein Orchester mehr am Ufer sitzt: Schwimmen und Ruderbootfahren geht immer noch, denn es gibt einen Bootsverleih und das Alpseebad, das am hinteren Südufer des Sees liegt und zu Fuß oder mit dem Rad zu erreichen ist. Einige Einheimische ziehen auch am Alpsee ganzjährig als „Frühbader“ ihre Bahnen im Wasser und sie müssen dabei oft kräftig die Zähne zusammenbeißen. Denn der bis zu 60 Meter tiefe und von unterirdischen Quellen gespeiste See ist selbst im Sommer an den meisten Tagen richtig kühl – vom Winter gar nicht zu reden. Dafür gehört er zu den saubersten Seen in ganz Bayern.

 

7. Der Forggensee und der Kanu-Kini

Eins … und Minipause … zwei … und wieder Minipause. Das Paddel taucht links und rechts ins blaue Nass. Nur begleitet von einem leisen Plätschern gleitet das Kajak leicht über den Forggensee. Weite, Stille, nur der Wind kitzelt in den Ohren. Die Welt am Ufer – sie ist im Nu vergessen. Großartig. „Nichts beruhigt uns so sehr wie das Wasser. Vor allem auf einem großen See lernt man wieder zu entschleunigen. Wir sind es gewohnt, dass wir relativ schnell an einem Ziel sind. Beim Kajakfahren ist das anders: Ich sehe das Ziel schon weit voraus, aber es kann sein, dass ich zwei Stunden brauche, bis ich da hinkomme“, erzählt Uwe Simniok, der Kanu-Kini. Sein Unternehmen hat er nicht nur nach König Ludwig II. so benannt, sondern weil „Kini“ auch ein bisschen hawaiianisch klingt, wie er meint. Auf der Insel im Zentralpazifik ist der gebürtige Franke das erste Mal Kanu gefahren und war begeistert.

 

Vor über 20 Jahren hat er seinen kleinen Betrieb am Bootshafen in Füssen gegründet und war damit der erste in Bayern, der geführte Kanu- und Kajaktouren auf einem großen See angeboten hat. „Ich bin Sportlehrer. Berge und Seen sind hier die dominierenden Merkmale in der Landschaft. Und da viel gewandert und geradelt wird, wollte ich eine Alternative zu den ‚fußlastigen‘ Aktivitäten anbieten.“ Besonders beliebt bei den Gästen ist die Sonnenuntergangstour, die er in der Saison dreimal pro Woche durchführt.

Doch einfach rein ins Kajak oder in den Kanadier? Fehlanzeige. Zuerst gibt es eine Technik- und Sicherheitseinweisung, damit sich alle mit den Wassersportgeräten vertraut machen können. Außerdem herrscht auf dem Forggensee reger Bootsverkehr und so gelten wie auf der Straße auch feste „Verkehrsregeln“. Dann geht es aufs Wasser. Uwe Simniok fährt der Gruppe immer voraus. Wetter, Windrichtung, Wellengang – alles spielt eine Rolle, wohin er bei seinen Touren fährt.

Besonders schön ist die Sonnenuntergangstour, wenn der Forggensee windstill wie ein Spiegel daliegt. Ohnehin klappt einem bei diesen Aussichten öfter mal die Kinnlade nach unten: Schloss Neuschwanstein, dahinter die messerscharf gezeichneten Alpengipfel, die in der Abenddämmerung langsam zu einer blauen Silhouette werden, oder das vom Abendlicht beleuchtete Hohe Schloss, das über Füssen thront – einfach magisch. „Für mich ist es immer wieder schön zu sehen, wie sich im Laufe der Saison der Sonnenverlauf ändert. Und auch wenn ich das schon so lange mache, sieht es bei jeder Tour wieder anders aus.“

 

Wohin soll die Reise gehen? Wer braucht Me(h)er, wenn es so viel Wasser rund um Füssen gibt? Kein See hier gleicht dem anderen. Also: Flügel ausbreiten und von einem Wasserparadies zum nächsten fliegen.