Biohotel Eggensberger

Echt nachhaltig

30. September 2021

Ein kleines Spätsommeridyll – mal nicht auf den Allgäuer Wiesen rund um Füssen aufgenommen, sondern auf der Wellnessterrasse im ersten Stock des Biohotels Eggensberger. Es steht sinnbildlich für die Einstellung von Heike und Andreas Eggensberger, die seit 1998 den Betrieb in Hopfen am See führen: So viel Natur wie möglich – und zwar ganz konsequent. Ob es um die Herkunft und die Qualität von Lebensmitteln, den hauseigenen Energieverbrauch, gesundes Wohnklima, guten Schlaf, faire Löhne oder den Transport von Gästen geht – das nachhaltige Denken und Handeln des Paares ist kein Konzept oder Trend, dem sie folgen wollen, weil es „in“ ist und das Image aufpoliert, sondern eine Lebenseinstellung. „Wie man die Schöpfung bewahren kann, solidarisch und gerecht handelt, das war uns beiden schon in unserer Jugend wichtig. Damals haben wir gedacht, wir können die Welt umkrempeln. So einfach ist es nicht, wie wir heute wissen. Aber wir haben unseren vier Kindern versprochen, dafür zu sorgen, unsere Erde lebenswert zu bewahren. Deshalb setzen wir alles daran, dieses Versprechen einzuhalten“, erzählt das Gastgeberpaar.

Die Eggenbergers verstehen ihr Hotel oberhalb des Hopfensees als einen eigenständigen ökologischen Kreislauf, in dem Ressourcen maximal geschont werden sollen – mit dem Ziel, ihren eigenen CO2-Fußabdruck und auch den ihrer Gäste so gering wie möglich zu halten. Mit Erfolg: seit 2008 ist das Hotel klimaneutral; seit 2019 sogar klimapositiv. Doch sich darauf auszuruhen, käme den beiden nicht in den Sinn. Sie drehen immerzu an weiteren Stellschrauben, um das Ergebnis noch zu verbessern. Waren es vor 13 Jahren 38 Kilogramm Emission pro Gast und Tag, sind es aktuell 4,8 Kilogramm. „Null Emission geht aber nicht. Deshalb gleichen wir die geringen Rest-Emissionen unter anderem über ein Photovoltaik-Projekt in Indien aus, bei dem Schulen und Privathaushalte mit Strom versorgt werden“, erklärt Andreas Eggensberger.

Für das Paar war klar, dass sie die vormals reine Kneipp-Kurklinik der Eltern von Andreas Eggensberger nur übernehmen, wenn sie diese Vorstellung von nachhaltigem Leben und Wirtschaften auch im Betrieb voll und ganz umsetzen können. Ziel war es, die Kompetenz und die Erfahrung aus dem Rehazentrum, dem ersten übrigens im Allgäu, mit einem künftigen Viersternehaus in Einklang zu bringen und das Thema Gesundheit ganzheitlich zu denken. Das bedeutete eine komplette Umstrukturierung. „Für uns gehört eine Ernährung mit biologischen Produkten unbedingt dazu. Wir wollen zeigen, wie vielfältig diese ist und dass so eine Küche auch auf Viersternniveau machbar ist, ohne auf etwas verzichten zu müssen“, erklärt Heike Eggensberger. Die Eltern von Andreas Eggensberger hatten zwar schon zuvor Produkte ihres Biohofes in der Küche verwendet und den Versuch unternommen, biologische Vollwertkost anzubieten, aber die Gäste konnten den besonderen Wert damals noch nicht wirklich schätzen. Doch Heike und Andreas Eggensberger wagten es. Der erste Meilenstein in Sachen Nachhaltigkeit war die konsequente Umstellung auf Bioprodukte in der Küche und 2002 der Beitritt zur Kooperation BIO HOTELS – als eines der ersten deutschen Häuser. „Wir haben uns aber tatsächlich erst ein Jahr später damit geoutet, weil wir bei meinen Eltern gesehen haben, dass so etwas schief gehen kann“, erzählt der Hotelchef. „Trotzdem haben wir viele Gäste verloren und erst nach und nach wieder neue hinzugewonnen. Da mussten wir cool bleiben.“

Schritt für Schritt gingen und gehen die Eggensbergers ihren Weg weiter. Auf biozertifizierte Lebensmittel umzusteigen, war nur einer von vielen. „Die meisten Menschen werfen bio, regional und nachhaltig in einen Topf, aber das ist nicht dasselbe“, erklärt Andreas Eggensberger. „Bio allein reicht nicht. Wir achten beim Einkauf von Lebensmitteln auch auf die CO2-Bilanz.“ So wird beim Lieferanten nachgefragt, wo die Produkte angepflanzt oder produziert werden, um anschließend ihren CO2-Bilanzwert zu berechnen. „Manches ist mit der Zeit leichter geworden, wenn man nachhaltig wirtschaften will, z.B. dass eine deutlich größere Auswahl an Biolebensmitteln oder biozertifizierten Kosmetikprodukten verfügbar ist als früher. Auch gibt es viele technologische Neuerungen, die unsere Ziele unterstützen. Gleichzeitig aber ist es unglaublich zeitintensiv, Zahlen auszurechnen, in einen CO2-Abdruck zu bringen und zu recherchieren, was jetzt die bessere Lösung ist“, ergänzt Heike Eggensberger. Trotz des Aufwands ist das Vorgehen für beide aber unabdingbar.

Kurze Wege, persönlicher Kontakt, am Tierwohl orientierte Einstellung: Am liebsten bezieht das Gastgeberpaar seine Lebensmittel aus der direkten Umgebung und von Anbietern, die ähnlich wirtschaften wie es selbst. Beide sind in einem Allgäuer Landwirtschaftsbetrieb aufgewachsen. Den Biolandhof von Andreas Eggensbergers Vaters oberhalb des Hopfensees hat sein Bruder Josef Eggensberger übernommen. Er beliefert das Hotel mit Milch, Joghurt, Fleisch und Wurstspezialitäten. Statt biologischen Zuchtlachs oder Meeresfrüchte aus Fernost, gibt es Saibling und Forelle aus der Region. Selbst Essige und Öle kommen von einer Ölmühle aus dem Allgäu. Die Hotelküche arbeitet im Jahreskreis: Auf der Speisekarte steht vorwiegend das, was gerade in der Region Saison hat. Gurken, Paprika und Tomaten im Winter? Die gibt es nur jetzt im Sommer und im Herbst. Bei einigen Gästen sorgt so viel Konsequenz für Kopfschütteln. „Manche meinen vielleicht, dass ich eine Meise habe, aber wenn ich jetzt auf Pump lebe, dann holt mich das irgendwann ein“, meint Andreas Eggensberger.

Mittlerweise ist das Thema Nachhaltigkeit in allen Hotelbereichen angekommen und hat sich zu einem komplexen System entwickelt. Ein Rad greift ins andere. Trotzdem ist es ein Weg, nichts, was von heute auf morgen passiert und irgendwann abgeschlossen ist. Es gibt immer wieder Innovationen und Möglichkeiten, etwas zu verbessern. Eines der großen Ziele in den letzten Jahren war es, fossile Brennstoffe im Hotel vollständig zu ersetzen und möglichst schon bei der Anreise der Gäste zu reduzieren. Das funktioniert am besten mit einem Bonus: Wer als Eggensberger-Gast mit der Bahn nach Füssen kommt, kann kostenlos mit dem Taxi zum Hotel fahren und bekommt ein Mal pro Aufenthalt die Fahrt mit einem E-Bike oder Elektroauto der hoteleigenen Flotte geschenkt. Auch einige Mitarbeiter fahren ein E-Auto als Firmenwagen. Aufgetankt wird es über eine Speicher-Batterie mit Sonnenstrom aus der hauseigenen Anlage. Sie speichert die Energie der über tausend Quadratmeter großen Solarflächen auf dem Dach und rund um das Hotel. Zwei Drittel des im Haus benötigten Stroms wird selbst erzeugt. In der Küche werden Speisereste gesammelt, im Wellnessbereich Heupackungen, um daraus in einer speziellen Anlage Biogas für das eigene Blockheizkraftwerk erzeugen zu lassen. Abwärme wie aus dem Schwimmbad wird zurückgewonnen und dem Haus-Heizsystem zugeführt. Selbst den Busführerschein hat der Hotelchef gemacht, um seine Gäste für Ausflüge durch das Allgäu zu kutschieren, damit sie das eigene Auto stehen lassen können.

Das ist aber längst nicht alles. Der Naturpool vor dem Garten-Spa-Wellnessbereich ist ein weiteres Beispiel, dass es auch anders geht. Hier sticht einem kein Chlorgeruch in die Nase. Für klares, sauberes Wasser sorgen Pflanzen und Mikroorganismen. In der bepflanzten Filterzone setzen sich Schwebeteilchen ab und werden von den Organismen zersetzt – wieder ein eigenständiger ökologischer Kreislauf ohne Chemie und Technik. Es summt und flattert im Garten. Er ist mit Bienenweiden und Naschpflanzen angelegt, an den Zäunen und Außenwänden sind Insektenhotels angebracht. So erfreuen sich nicht nur die Gäste daran, sondern auch Bienen, Schmetterlinge und andere Insekten, tragen sie doch maßgeblich dazu bei, dass Nutz- und Kulturpflanzen bestäubt werden und es so genug Obst und Gemüse gibt.

Neu- oder Umbauten werden mit viel Lehm, Altholz aus heimischen Holzbörsen und wenig Beton realisiert. Auch das spart Ressourcen und CO2 – und ist außerdem optisch ein Hingucker. Im Wellnessbereich beispielsweise führt die Verbindung von Tradition und Nachhaltigkeit zu architektonisch spannenden Linien und Perspektiven. Wer dort in der Liege entspannt, wird von einer wohligen Rundumwärme umhüllt. Die Deckenpaneele, mit denen der Raum beheizt wird, zeichnen sich durch den Lehmputz zu einem interessanten Muster ab. Heimische Holzschindeln und über einhundert Jahre alte Schellen aus Familienbesitz, die Heike Eggensberger wieder aufgearbeitet hat, schenken den klar strukturierten Räumen Wärme und Gemütlichkeit. Überall ist „Familie“ drin. Im Eingangsbereich zur Wellnessabteilung hängen traditionelle Kräuterboschen, die ihre Schwiegermutter Rosemarie gebunden hat. Als Allgäuer Kräuterlandführerin führt sie Hotelgäste durch ihren großen Garten, berichtet über Wildkräuter und gibt Tipps, wie sie in der Küche und für die Gesundheit anzuwenden sind. „Jeder trägt bei, was er gern macht und gut kann“, erzählt Heike Eggensberger.

Ätherische Öle und deren Wirkungsweise faszinieren die Hotelchefin. Hauptsächlich ist sie im Haus für das Marketing, den Einkauf und die Organisation zuständig. Besonders gern aber bringt die gelernte Erzieherin ihr Wissen als Fachexpertin für Aromapflege im Wellnessbereich ein und schult auch ihre Mitarbeiter. Außerdem hat sie vor kurzem die Ausbildung als Entspannungspädagogin abgeschlossen und kann so von der Krankenkasse bezuschusste Präventionskurse durchführen, in denen sie Elemente aus autogenem und Achtsamkeitstraining sowie progressiver Muskelentspannung miteinander kombiniert. „Das Schöne ist, dass ich im Haus immer etwas gestalten kann und mit interessanten Menschen zu tun habe. Mir ist der Kontakt mit den Gästen und Mitarbeitern sehr wichtig, einfach mit Menschen, die ich mag. Und ich finde die „Biogäste“ sind schon ein besonders nettes Volk, das wir sehr gerne hier haben“, sagt Heike Eggensberger und lächelt.

Das Hotelmotto „Es bewegt sich was“ bezieht sich nicht nur auf die kontinuierliche Optimierung in Sachen Nachhaltigkeit, auch die Gäste werden „bewegt“ – im hoteleigenen Therapiezentrum, das als erster Medical-Wellness-Betrieb in Deutschland TÜV-geprüft wurde. Ob Sturzprophylaxe, gesunder Schlaf oder Ernährung, das Angebot und die Therapietiefe ist für ein Viersterne-Hotel sicher ungewöhnlich. 24 Therapeuten mit unterschiedlichen Kompetenzen bieten vielfältige Möglichkeiten, Gäste und Patienten vorbeugend oder gezielt auf ihre gesundheitlichen Probleme hin zu behandeln. Andreas Eggensberger hat sich dabei einem speziellen – auch ganz nachhaltigen – Ansatz verschrieben: dem ganzheitlichen Kneipp-Naturheilverfahren und damit einem für Füssen wichtigen Thema, denn die Stadt hat eine lange Tradition als Kneippkurort. Aus dieser Tradition heraus gründeten seine Eltern 1976 das Kneipp-Kurheim in Hopfen am See.
Wer als Gast zu den Eggensbergers nach Hopfen am See kommt, kann von der großen Erfahrung des Hotelchefs profitieren, denn in diesem Jahr feiert er sein 30-jähriges Jubiläum als Kneippbademeister und behandelt viele seiner Gäste selbst. Für ihn ist es absoluter Luxus, „dass ich mir für einen Menschen bei einer Behandlung eine halbe Stunde oder länger Zeit nehmen kann. Welcher Arzt kann das schon?“ Zudem hat Andreas Eggensberger eine Ausbildung als Masseur und Physiotherapeut gemacht sowie Sozialwirtschaft und Physiotherapie studiert – und 2019 mit einem Master mit einer wissenschaftlichen Arbeit zur Kneipp’schen Hydrotherapie abgeschlossen. Die Wasseranwendungen des Pfarrers begeistern ihn nämlich besonders. „Seine Intuition fasziniert mich sehr, sie hat sogar der späteren wissenschaftlichen Überprüfung standgehalten. Kneipp ist Einfachkeit. Seine Lehre ist geradezu unspektakulär – und trotzdem so wirkungsvoll. Und ich finde, es lohnt sich, sie bei chronischen Beschwerden als Alternative zu Medikamenten auszuprobieren.“ Auch sonst ist Andreas Eggensberger ständig für seine Gäste in Bewegung: Neben der Therapie macht er die offizielle Gästebegrüßung, erzählt dabei über die Philosophie des Hauses, erklärt die ausgefeilte Technik im Haus, zeigt ihnen die schönsten Ecken rund um Füssen und spielt auch noch einmal die Woche mit dem Akkordeon auf. Der Urlaub soll auf allen Ebenen ein nachhaltiges Erlebnis werden.
Für die Eggenbergers ist es schon längst nach zwölf Uhr, was den Klimaschutz betrifft. Dennoch würden sie sich gerne mal in ganz andere Themen vertiefen, anstatt immerzu daran zu arbeiten, etwas im Sinne der Nachhaltigkeit zu optimieren. Andreas Eggensberger interessiert sich beispielsweise sehr für Medizingeschichte und Naturheilkunde, aber dafür bleibt ihm keine Zeit. „Das Leben könnte so schön sein, wenn alle mitmachen würden. Viele interessiert es aber einfach nicht, wie es der Welt da draußen geht. Weil andere zu wenig unternehmen, müssen wir mehr tun, um sie für nachfolgende Generationen zu erhalten“, meint der Hotelchef. So freut sich das Gastgeberpaar über jeden Kollegen, der seinen Betrieb auf Bio umstellen will und macht sein Vorgehen transparent. Längst sind die beiden zu Impulsgebern geworden und beraten ernsthaft motivierte „Mitstreiter“, denen es um eine innerlich motivierte Wende geht. „Wir entwickeln uns immer weiter und es ist toll, wenn man als gutes Beispiel dienen und Kollegen davon überzeugen kann, dass nachhaltiges Handeln nicht nur der Umwelt etwas bringt, sondern dass man damit auch erfolgreich sein kann“, meint Heike Eggensberger. Bei ihnen hat es geklappt: Wurden sie anfangs in der Hotelbranche belächelt, können sie sich heute über eine solide Auslastung mit einem hohen Anteil an Stammgästen freuen.

Der Platz, das Haus, die Ideen – alles ist eng miteinander verbunden und verzahnt. Aus der Lebenseinstellung von Heike und Andreas Eggensberger ist längst ein sichtbares Lebenswerk geworden, dass sich ständig weiterentwickelt. Neue Ideen kommen dem Paar bei einem Spaziergang rund um den Hopfensee oder auf die Burgruine Hopfen mit fantastischem Ausblick auf den Ort, Schloss Neuschwanstein, den See und das Allgäuer Bergpanorama. Sie sind selbst gespannt darauf, wohin sie ihre Reise, der sie sich mit Leib und Seele verschrieben haben, noch hinführen wird. Auf jeden Fall sind sie mit einer klaren Mission auf dem Weg – jeden Tag aufs Neue.

Weiterführende Informationen sind auf der Website des Biohotel Eggensberger zu finden.