Anderszeit-Gastgeber Bauernhof Friedl

Mit Weitblick in die Zukunft

Aufatmen, ankommen, einfach sein. Wer nach der Krise dringend eine „Anderszeit“ braucht, ist in Füssen genau richtig. Nicht nur die Berge, die Seen, die malerische Altstadt und die Schlösser schaffen besondere Momente für Herz und Seele, sondern vor allem auch die Menschen, die hier leben. Familie Friedl im Füssener Ortsteil Weißensee zum Beispiel. Sie sind die ersten Anderszeit-Gastgeber, die wir hier vorstellen, denn sie machen einiges anders. Die Friedls fühlen sich tief verbunden mit ihrer Heimat und der Allgäuer Natur und haben bei ihrer Arbeit immer auch den Blick auf die Zukunft. Deshalb wollen sie den Urlaubern zeigen, wie eine Landwirtschaft nachhaltig geführt werden kann und lassen ihre Gäste während ihres Urlaubs auf dem Bioland-Hof auf ganz unterschiedliche Weise daran teilhaben.

 

Grün über Grün. Direkt vor dem Haus wachsen allerlei Allgäuer Kräuter wie Beifuß, Königskerze und Salbei. Für Angela Friedl ist der große Kräutergarten das Herzstück der Außenanlage – und gleichzeitig nahmen viele Veränderungen auf dem Hof hier ihren Anfang, zum Beispiel die Umstellung auf eine biologisch geführte Landwirtschaft. Meist gärtnert die gelernte Krankenschwester abends. Nicht wegen der Hitze, sondern vor allem, weil die Gäste dann von ihren Ausflügen zurückkommen und Fragen zu den Kräutern und deren Wirkung haben, die sie in der Natur gesehen haben.

Kräuter sind Angela Friedls ständige Begleiter. „Die kann man einfach für alles gebrauchen: in der Küche, zum Räuchern, für Salben und Einreibungen. Sie sind für mich Grundnahrungs- und Heilmittel zugleich.“ So war es ihre Idee, den Betrieb als Allgäuer Kräuterland Hof zertifizieren zu lassen. Mittlerweile bieten die Friedls neben ihren Hofführungen auch Wildkräuterführungen und spezielle Kräuterwochen an. Gerne dürfen sich die Gäste selbst im Garten oder – im Winter – an der kleinen Kräuterbar für einen Tee oder zum Kochen bedienen.

 

Die Friedls wünschen sich, dass ihre Gäste wirklich ganz runterkommen können und sich Zeit zum Entspannen nehmen. Deshalb haben sie eine Mindestaufenthaltsdauer für einen Urlaub in ihren geräumigen Ferienwohnungen. Vom ersten und zweiten Stockwerk blickt man auf den grünlich schimmernden Weißensee. Unten grüßen ab und an Kühe auf die schöne Terrasse hinüber – derzeit ist es Resi, die eine Verletzung hat und deshalb auf Garten-Reha ist, bis sie wieder auf die Weide darf. Auf Wunsch bekommen die Gäste frische Milch und Brötchen zum Frühstück vor die Tür gestellt – oder gleich ein leckeres Kräuterfrühstück mit selbstgemachten Hollersirup. Im Gästehaus haben die Friedls eine Sauna und einen kleinen Massageraum eingerichtet. Klassische Rückenmassage, indische Ölmassage oder Hot Stone Massage: Das Angebot ist wie in einem Wellnesshotel. Bauernhof-Urlaub vom Feinsten!

 

Für die Kräuterstempel-Massage bindet Angela Friedl frische Kräuter und Reis in Stofftücher. Die Stempel passen ideal zu ihrem ganzheitlichen Verständnis von Gesundheit und Wohlbefinden. So bezieht sie nicht nur die körperlichen Beschwerden in die Behandlungen ein. Sie geht davon aus, dass Heilkräuter auch geistige Blockaden lösen und auf die Seele wirken können. Deshalb stimmt sie die Füllung der Stempel, die während der Massage immer wieder erwärmt werden, individuell auf die Bedürfnisse ihrer Gäste ab. Entschleunigen, entgiften, regenerieren – dafür ist in ihrem Garten allerlei Kraut gewachsen: z.B. Melisse, Kamille oder Baldrian.

Ihr Mann Matthias war nicht gleich entflammt für die ganzheitlichen Ansätze seiner Frau. Beide sind sehr unterschiedlich aufgewachsen und Angela Friedl stellte vieles erst einmal in Frage, als sie auf den Hof kam und überlegte auch, wie sie die Landwirtschaft nachhaltiger gestalten könnten, um Belastungen für die Umwelt zu reduzieren. Abgeneigt war Matthias Friedl dem Thema gegenüber nicht, „aber so richtig war das damals noch nicht bei mir angekommen“, meint der Landwirt. Dabei seien er und seine Eltern schon nah an einer biologischen Bewirtschaftung gewesen. Aber zunächst stand er auch der Zertifizierung zum Allgäuer Kräuterlandhof eher skeptisch gegenüber. Doch dann übernahm der Zufall die Regie. Als seine Frau aus beruflichen Gründen am zweiten Teil ihrer Kräuterausbildung nicht teilnehmen konnte, musste er einspringen. „Eigentlich war ich als gelernter landwirtschaftlich-technischer Assistent ja schon mit den Pflanzen vertraut. Aber für mich war der Kräuterkurs die Initialzündung dafür, umzudenken, ein gesundes Umfeld zu schaffen und damit neue Weichen für die Zukunft zu stellen.“

 

2015 stellten die Friedls auf eine nachhaltige Landwirtschaft um und wurden zum Bioland-Hof. Sobald das Gras hoch genug ist, dürfen die Kühe auf die Weide. Pestizide sind tabu. Geht es einem Tier nicht gut, sind sie bei Angela Friedl mit ihrem Heilwissen in besten Händen. Übrigens hat jede der 30 Kühe einen eigenen Namen – und auch alle anderen Tiere auf dem Hof, wie z.B. die beiden Ziegen Finny und Amadeus. Draußen hoppelt Flecki durch den „Kleintiergarten“. Alle werden von Miriam und Lukas Friedl sowie den Gästekindern prima versorgt. Die kleinen Küken warten übrigens noch auf einen passenden Namen.

Man spürt definitiv, dass die Friedls mit Leib und Seele bei der Sache sind und ihre Tiere, die Menschen und ihre Heimat wertschätzen. Viele Gäste kommen also sicher nicht nur wegen der tollen Lage am Weißensee wieder. Ein Gastfamilie war bereits 96 Mal hier! Auf dem Bild sind übrigens die ersten Feriengäste zu sehen. 1927 war das. Und wer genau hinsieht, erkennt eigentlich ganz gut, wer die Gäste und wer die Gastgeber sind … Angela und Matthias Friedl haben den Hof 2013 übernommen und sind nun die vierte Generation, die Ferienunterkünfte vermietet. Der Hof selbst ist viel älter. Vermutlich kamen Matthias‘ Vorfahren vor 400 Jahren hierher.

Nach dem Kräuterkurs entdeckte der Landwirt noch ein ganz anderes Feld: das Moor, von dem es rund um seinen Hof einige Flächen gibt. Nicht umsonst steht sein sogenannter eMOORtionenhof in Moos, wie der Ortsteil von Weißensee heißt: Moos ist der süddeutsche Ausdruck für Moor. Matthias Friedl machte eine Weiterbildung zum MOORerlebnisführer, um seinen Gästen diesen besonderen Lebensraum nahe zu bringen.

Direkt gegenüber vom Hof geht es auf einem idyllischen Fuß- und Radweg entlang des Weißensees mitten in das Niedermoor. Für Matthias Friedl sind seine hier gelegenen Wiesen ein Teil der Landwirtschaft, der ganz anders und sensibel behandelt werden muss als die anderen Flächen. Immer wieder entdeckt er Pflanzen, die er zuvor noch nie gesehen hat – auch auf den „normalen“ Wiesen – und ist begeistert, wie reich dieser Flecken Erde ist. Nicht selten findet er geschützte Pflanzen wie z.B. Lungenenzian oder Knabenkraut.

 

Sogar eine fleischfressende Pflanze wächst auf den derzeit vom Wollkraut weiß getupften Wiesen. Aber keine Angst: Das Gemeine Fettkraut beißt nicht in die Waden. Es ist ein zartes Pflänzchen, dessen bodennahe Blätter von einem klebrigen Fangsekret bedeckt sind. Damit fängt es kleine Insekten und verdaut es gleich darauf. Auch die großen Tiere mussten hier früher gut aufpassen. Der MOORerlebnisführer hat einen historischen Moorschuh dabei, den die Pferde tragen mussten, um das gemähte Gras abtransportieren zu können. Sonst wären sie tief eingesunken.

 

Kleine Gäste dürfen bei den Moorführungen mit der Becherlupe winzige Wiesenbewohner begutachten, bevor sie diese wieder in die Freiheit entlassen. Im Gästehaus gibt es auch eine Moorschatztruhe mit viel interessanten Infos – für die Großen auch gerne eine Moorstempel-Massage von Angela Friedl. Derweil entspannt Matthias Friedl bei seinen Bienen. „Da kann ich wirklich entschleunigen“, meint er. Gerne nimmt er seine Gäste auch zu einer Imkerführung mit. Also: Wer bei diesem Anderszeit-Gastgeber bucht, sollte sich wirklich Zeit nehmen und zwar am besten gleich ganz viel davon …

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