Ein Kloster voller Geschichte(n)
Schilder lesen, leise sein und bitte nichts berühren! Ein Museumsbesuch kann für Kinder manchmal ganz schön langweilig sein. Im ehemaligen Benediktinerkloster St. Mang in Füssen ist das anders: Im dortigen Stadtmuseum wird Geschichte auch für kleine Besucher erlebbar gemacht. Zwischen barocken Sälen, geheimnisvollen Gängen, Lauten, Geigen und allerlei anderen spannenden Ausstellungsstücken gehen Familien auf eine abwechslungsreiche Entdeckungsreise, denn hier gibt es viel zum Staunen, zum Anhören und sogar zum Anfassen.
Schon das barocke Klostergebäude über dem Lech ist ein Hingucker und überliefert eindrucksvoll ein Stück Stadtgeschichte: Als es im 9. Jahrhundert vom Bischof von Augsburg am Ort der Mönchszelle des Einsiedlers Magnus gegründet wurde, siedelten sich hier bald auch Handwerker und Kaufleute an, um den Bedarf der Mönche an unterschiedlichsten Dienstleistungen und Gütern zu decken. So spielte sich das Leben in Füssen für lange Zeit rings um das Kloster ab und es war neben dem Fluss prägend für die Entwicklung der Siedlung und späteren Stadt. Darüber hinaus war es für mehr als 1000 Jahre nicht nur das religiöse, sondern auch das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum der gesamten Region.
Wo einst die Benediktinermönche beteten, schrieben, aßen, forschten und musizierten, ist heute neben der Stadtverwaltung und der Stadtbibliothek auch das Museum der Stadt Füssen untergebracht. Es werden aber nicht nur die Museumsexponate in den ehemaligen Mönchszellen präsentiert. Auch das Klosterleben und das Gebäude selbst sind im Museum Thema und seine prachtvollen Barocksäle sind in den Museumsrundgang einbezogen.
Die Besucher sind so ganz nah an der Kloster- und Stadtgeschichte dran, und das macht es besonders spannend. Um die Vergangenheit für Kinder erfahrbar zu machen, entwickeln und erweitern die Leiterin der städtischen Museen Dr. Isabelle Schwarz und Museumspädagogin Sarina Gimnich fortlaufend das Angebot an Ferienprogrammen, Familienführungen, museumspädagogischen Angeboten und Mitmachstationen.
Hier fünf Tipps für den Museumsbesuch mit Kindern:
Tipp 1:
Überall Gold, farbige Fresken, Schnörkel und Putten, die einem aus den Ecken zuschauen, wie man mit offenem Mund in den überbordend dekorierten, hohen Räumen steht. Genau das war das Ziel der Barockkünstler: Sie wollten die Menschen zum Staunen bringen, die Sinne verführen und bewegen. Das Übermaß war eine geplante Strategie. Die Räume des Klosters sind mit so vielen Details und Informationen gespickt, dass man im ersten Moment gar nicht weiß, wohin man schauen soll.
Wie kann man sich in der dekorativen Fülle zurechtfinden? Und wie mag das wohl auf ein Kind wirken, das so etwas vielleicht zum ersten Mal sieht? Bei den Familienführungen lenkt Isabelle Schwarz deshalb gerne den Blick auf einzelne Details. Konkret: Wo haben sich Eichhörnchen, Elefanten, Delfine und Einhörner in der Dekoration versteckt? „Man glaubt gar nicht, wie viele Tiere im Kloster dargestellt sind", meint Isabelle Schwarz, auch wenn sie den genauen Bestand des Klosterzoos noch nicht ermittelt hat. „Trotzdem ist es gar nicht so leicht, sie zu finden. Durch die Suche wird die Aufmerksamkeit der Kinder - und auch unsere eigene - auf ein Ziel gelenkt, sie entdecken aber gleichzeitig noch viele andere Dinge."
Der Kaisersaal ist sicherlich der beeindruckendste Raum im ehemaligen Kloster und bildet die Mittelachse der Anlage. Er wurde für Repräsentationszwecke entworfen, um die Eigenständigkeit des Klosters gegenüber den Augsburger Fürstbischöfen zu untermauern und auf die Pflege der Wissenschaften und Künste hinzuweisen. Auf dem historischen Parkett sitzend, entdecken Kinder entspannt und spielerisch die Bilderwelten. Indem die Kinder gemeinsam mit dem Museumsteam in die Details „eintauchen“, werden Geheimnisse gelüftet und die stille Sprache der Geschichte, Kunst und Architektur entschlüsselt, die sonst im Verborgenen bleiben würden.
So bleiben die Räume nicht einfach nur eine stille, schöne Kulisse, sondern werden mit Leben gefüllt, und die Kinder stellen Verbindungen zu ihrer eigenen Welt her. Zum Beispiel im Colloquium, dem Lernort der Mönche: „Mit der Deckenkuppel und den Fresken ist das Colloquium auch ein ganz besonderer Raum. Und wir können die Kinder gut in ihrer Lebensrealität abholen, indem wir gemeinsam überlegen, wie sich das Lernen heute von dem der Mönche damals unterscheidet."
Tipp 2:
Keine Musik aus Kopfhörern, kein Fernseher, nicht mal elektrisches Licht - wie still das Leben als Mönch war, können sich die Kinder erst vorstellen, wenn sie selbst in diese Rolle schlüpfen. Wie fühlt es sich an, wenn es nur die Geräusche des damaligen Klosterlebens gibt: das Hallen der Schritte und Stimmen in den weiten Gängen, das Knarzen der Holzböden, das leise Rascheln der Kutten. Und wie kann man eigentlich ohne Handy leben?
Ausgestattet mit Smiley-Tasche, Malstiften und einemspannend gestalteten Kinderheft mit Kurzinfos, anregenden Fragen und kleinen Aufgaben können Kinder und Familien auch ohne Führung auf Geschichtensuche im ehemaligen Kloster gehen. Um sich in der großen Anlage zurechtzufinden und immer tiefer in den Alltag eines Mönches einzutauchen, begleitet im Kinderheft der Klosternovize Kleiner Mang von Station zu Station.
So erfahren die Besucher, dass ein Mönch nicht nur ein Betender war, sondern oft auch ein Handwerker, Künstler oder Forscher und Teil einer Gemeinschaft, die die Nähe zu Gott suchte und nach einem Leben voller Sinn, Ruhe und Ordnung strebte. „Die erste Station ist der Kreuzgang, ein Ort der inneren Einkehr, der Kontemplation. Hier regt der "Kleine Mang" die Kinder dazu an, das für sich selbst auszuprobieren. Zum Beispiel können sie die Frage nach ihrem Befinden mit einer Gesichterauswahl zum Einkreisen beantworten oder etwas malen, wofür sie heute dankbar sind", erklärt Isabelle Schwarz.
Eltern und Großeltern können zu jeder Station des Rundgangs die Zusatzinformationen aus dem Kinderbegleitheft vorlesen und die Kinder mit kleinen Hinweisen und Fragen durch die Räume leiten - oder sie gehen auch als Erwachsene mit dem Heft auf Entdeckungsreise und finden ihren eigenen Zugang zu den Themen. „Manche Hinweise sind sicher auch für Erwachsene überraschend. Im Kreuzgang fand zum Beispiel auch handfeste Haarhygiene statt. Hier rasierten die Mönche ihre Tonsur nach und kürzten Haare und Bärte." Eine Altersbegrenzung nach oben gibt es für das Heft deshalb nicht: „Wer das Kloster noch nicht kennt, ein bisschen kreativ an das Thema herangehen oder Ideen auch für andere Museumsbesuche mitnehmen möchte, ist herzlich willkommen, das Kinderbegleitheft an der Museumskasse für eine kleine Schutzgebühr mitzunehmen, auch als Erwachsener", meint Isabelle Schwarz.
Tipp 3:
Auch wenn das ehemalige Klostergebäude und die Klostergeschichte eigentlich schon genug Stoff für spannende Stunden bieten, öffnen sich im Stadtmuseum noch mehr Kapitel der reichen Füssener Stadtgeschichte. So gilt Füssen als Wiege des Lauten- und Geigenbaus in Europa, bereits im Spätmittelalter ließen sich die ersten Lautenbauer hier nieder. Mit der Lage direkt am Lech und der römischen Handelsstraße Via Claudia Augusta war die Stadt für den Handel mit Musikinstrumenten – und anderen Waren – optimal angebunden, außerdem wuchs in den Bergwäldern das ideale Holz für den Bau von Zupf- und Streichinstrumenten und im Kloster St. Mang, wo viel komponiert und musiziert wurde, gab es auch gleich Abnehmer für die Instrumente.
Wie eine Laute oder eine Geige gefertigt wird, ist im Füssener Museum in einzelnen Arbeitsschritten anschaulich dargestellt. Anhand der Modelle ist toll zu sehen, wie sorgfältig jede Kurve gearbeitet wurde. Auch welche Werkzeuge dafür gebraucht oder welche Holzarten für den Instrumentenbau geeignet waren, erfahren die Besucher. Hier darf nicht nur geschaut werden, auch Anfassen ist ausdrücklich erlaubt und die Kinder können sogar das Spielen auf einer schön verzierten Laute ausprobieren oder sich die Klänge anderer historischer Instrumente anhören, die für Kinderohren wahrscheinlich ungewohnt sind. Zudem bietet das Stadtmuseum auch zu diesem Kapitel der Stadtgeschichte kindgerechte Führungen.
500 Jahre zurück ins Jahr 1525 reisen die Museumsbesucher beim Thema Bauernkrieg. Damals verschärften sich die sozialen und wirtschaftlichen Spannungen zwischen Bauern, Bürgern und dem Adel und Bauernaufstände bedrohten auch in der Region Füssen die politische Stabilität. Da die Füssener Bürger sich auf die Unterstützung ihres Stadtherren, damals der Augsburger Fürstbischof, gegen die aufständischen Bauern nicht verlassen konnten, unterstellte sich die Stadt kurzentschlossen dem Grafen von Tirol und bat ihn um Unterstützung. Der Tiroler Herrscher entsandte daraufhin Soldaten zur Feste Ehrenberg bei Füssens Nachbarort Reutte und die Bauernhaufen, die Füssen bedrohten, zogen ab. Einige Monate später wechselte die Stadt wieder zurück zum Hochstift Augsburg.
Wie erklärt man so einen Stoff Kindern? Dazu hat das Museum drei fiktive Charaktere geschaffen, die als großformatige Holzfiguren aus je einer anderen Perspektive von dieser Zeit erzählen: Eine Füssener Bäckerstochter, die nicht weiß, ob die Bauern die Stadt einnehmen werden. Ein Tiroler Soldat, der in der Feste Ehrenberg auf seinen Einsatz wartet. Und ein aufständischer Bauer, der vor den Toren von Füssen überlegt, ob der Sturm auf die Stadt bald losgeht. Per QR-Code können sich die Besucher die von Schauspieler*innen eingesprochenen Texte anhören. „Das sind drei sehr emotionale Standpunkte, so dass die Kinder besser nachvollziehen können, wie die Menschen im Bauernkrieg gelebt haben, welche Sorgen sie hatten und welche Entscheidungen sie treffen mussten. Dadurch lässt sich Geschichte besser fassen und sie wirkt viel intensiver, als wenn man die Texte nur lesen würde", ist Isabelle Schwarz überzeugt.
Im Eingangsbereich gibt es eine zum Thema passende Mitmach-Station in Form von Puzzles. Zwei Ansichten der historischen Stadt Füssen mit ihren Wehranlagen, Türmen und Quartieren können dabei entdeckt werden. „Hier geht es um die Frage, ob Füssen wirklich wehrhaft genug gewesen wäre, um den aufständischen Bauern standhalten zu können. War die Stadtmauer schon an allen Seiten befestigt? Wie sah die Verteidigung überhaupt aus?" Wer die Teile zusammensetzt, merkt schnell, dass das gar nicht so einfach ist. „Obwohl ich die Stadt kenne, habe ich selbst eine ganze Weile gebraucht, bis alles am richtigen Platz war", erzählt Schwarz lachend.
Tipp 4:
Die Ausstellungen im Stadtmuseum und die besonderen Klosterräume bieten eine Fülle an Inspiration. Darüber hinaus finden im Haus auch Familienführungenzu Sonderausstellungen statt, um Kindern den Blick beispielsweise für Spezialthemen oder zeitgenössische Kunst zu öffnen. Abstrakte Formen, ungewöhnliche Materialien, vertraute Dinge im neuen Licht - das mag für sie zunächst rätselhaft wirken. Doch genau hier beginnt das Abenteuer! Um die Gedanken und Gefühle, die beim Betrachten der Ausstellungsexponate entstehen, auszudrücken und damit zu arbeiten, wurde eine Experimentierwerkstatt eingerichtet: Hier können sich Familien und Kinder nach einer Führung unter der Anleitung von Mueumspädagogin Sarina Gimnich ganz frei entfalten und ihre eigenen Mini-Kunstwerke gestalten, Materialien ertasten oder Farben mischen und so ihren eigenen Zugang zur Kunst finden.
Zu jeder Führung überlegt sich das Museumsteam gezielt, welche Materialien sie in der Experimentierwerkstatt zu einer Ausstellung anbieten. Gimnich setzt dabei immer wieder Impulse, um die Kreativität und die Freude am Gestalten zu fördern. „Das Entdecken und nicht so sehr das Ergebnis steht dabei im Vordergrund. Während die Kinder kreativ sind, können sie auch besser nachfühlen, wie die Werke eines Künstlers oder einer Künstlerin entstehen.“ Die Führung zur Sonderausstellung und die anschließende kreative Beschäftigung damit bilden also ein Gesamtangebot.
Im Rahmen der Ferienprogramme im Museum können Kinder und Jugendliche auch Workshops besuchen, in denen sie – wie einst die Mönche – das Kalligrafieren mit Feder und Tinte erlernen, ihr eigenes Wappen oder ihre Initiale gestalten oder mit alten Druckmodellen wie sie auch im Museum ausgestellt sind, Papier oder Stoff bedrucken.
„Das schwere Holz, die Spuren vergangener Farbe - das fühlt sich zunächst ungewohnt an", erzählt Isabelle Schwarz. „Viele Kinder und Jugendliche verbringen heute so viel Zeit in der digitalen Welt, dass ihnen der direkte Kontakt zu den Objekten fast fremd geworden ist. Doch die Balance zwischen beiden brauchen sie, um ihre Sinne, ihre Motorik und ihr Denken zu entwickeln." In den Workshops dürfen sie erleben, wie erfüllend es sein kann, mit den eigenen Händen etwas zu erschaffen und sich auszuprobieren - ganz ohne Bildschirm. Meist sind sie erstaunt über ihre eigene Schaffenskraft, die dabei wie von Zauberhand auftaucht.
Tipp 5:
Im Museum der Stadt Füssen begegnen große und kleine Besucher auch Themen, die auf den ersten Blick schwer wirken. Denn das ehemalige Kloster St. Mang birgt im Inneren einen Schatz, der das Lebensgefühl der Menschen vom Mittelalter bis in die Barockzeit auf den Punkt bringt: "Memento mori! Bedenke, dass Du sterblich bist!" Der Füssener Totentanz in der Annakapelle verdichtet diesen Gedanken auf 20 bemalten Holztafeln. Er ist der älteste in Bayern noch erhaltene Totentanz und europaweit eines der bedeutendsten Werke seiner Art.
„Für uns ist es eines der wesentlichen Werke im Haus und wir wollen das Thema Tod nicht aussparen, denn Kinder kommen damit ohnehin früher oder später in Berührung, und es ist im Kloster überall präsent", erzählt Isabelle Schwarz. Ihr Ziel ist es, den Tod nicht als etwas Furchteinflößendes darzustellen, sondern die kindliche Neugier ohne Angst zu wecken. Inspiriert durch ihre Tochter griff die Museumsleiterin deshalb das heitere Element des Tanzes auf, das ebenso in dem Kunstwerk steckt, und entwickelte ein Daumenkino, das die Kinder aus dem Kinderbegleitheft ausschneiden können. „Die meisten beschäftigt die Frage, warum der Tod auf den Bildern tanzt. Die Kinder können diesen Tanz mit eigenen Zeichnungen weiterführen oder auch etwas ganz anderes einfügen, denn sie sollen selbst entscheiden, wie sie so ein Thema gestalten wollen." So tanzt der Tod vielleicht nicht mehr allein, sondern mit einem Herz oder einer Blume und verwandelt sich dabei.
An manchen Stellen ist das Museum immer noch geheimnisvoll und auch ein bisschen gruselig, aber das Kribbeln im Bauch macht die Erkundungstour vielleicht umso abenteuerlicher und spannender. Zum Auftakt des diesjährigen Sommerferienprogramms wurde auch eine Nachtführung angeboten, bei der die Kinder mit Taschenlampe und Mönchskutten ausgestattet das Kloster erkunden durften. „Die dunklen, prunkvollen Räume und vielen Gänge sowie die historische Atmosphäre erzeugen schon Respekt, da fängt die Fantasie gerne an zu blühen, was hier schon alles passiert sein könnte", meint die Museumsleiterin und gibt zu, dass es auch ihr manchmal so gehe, wenn sie am Abend als Letzte das Gebäude verlasse.
Ideen und Pläne, die junge Besucherinnen und Besucher begeistern und das Museum zu einem Ort der Geschichte und Gegenwart machen, hat das Museumsteam auch für die Zukunft genug. Für nächstes Jahr sind zusätzlich zu den Ferienprogrammen, Workshops und Führungen, ein Tag der offenen Tür, eine Veranstaltung am historischen Terrassengarten unterhalb des Hohen Schlosses sowie ein Rundgang um das Kloster geplant. Auch ein Konzept für Kindergeburtstage mit Spielen, Kreativangeboten und kleinen Abenteuern will das Team entwickeln. Immer im Fokus: Dass die kleinen Zeitreisenden nach dem Museumsbesuch mit neuen und eindrücklichen Erfahrungen ins Jetzt zurückkommen.
Infomaterial
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