Wanderung – Drei-Schlösser-Runde

Märchenhaft, aussichtsreich und berührend

Unterwegs auf der Drei-Schlösser-Runde Füssen

6. Juli 2020

Wie wäre es, in diese Traumkulisse einmal ganz tief einzutauchen? Und verschlungene Pfade, stille Plätze und die imposanten Bauwerke zu erkunden, die Namensgeber der Drei-Schlösser-Runde sind? Neuschwanstein, Hohenschwangau, Hohes Schloss … Dieser Blick auf die Königsschlösser Neuschwanstein und Hohenschwangau ist letztes Jahr entstanden, als wir auf dem Weg zum Tegelberg waren und er zeigt eindrucksvoll, in welch königlicher Landschaft wir unterwegs gewesen sind. Irgendwie bekam hier unsere Fantasie sofort Flügel – und die Sehnsucht nach märchenhaften Geschichten ebenfalls. Deshalb sind wir auf Trüffelsuche nach ihnen gegangen. Dort unten. An den Seen, in den Wäldern, rund um die Schlösser. Es sind viele Geschichten, das wissen wir jetzt und wir haben sie für Euch gesammelt. Kein Weg, keine Abzweigung, die König Ludwig, seine Mutter Königin Marie von Bayern oder auch „nur“ ein Angestellter des Königshauses hier nicht schon einmal durchstreift hätten – zu Fuß, auf dem Pferd oder später des Nachts in einer der pompösen Kutschen. Und alles ist auch gar nicht so lange her … So geht ihr mit leichtem Gepäck und vielen Informationen auf diese wirklich traumhafte Runde.

5 1/2 Stunden Gehzeit und 671 Höhenmeter – für die Drei-Schlösser-Runde braucht es schon ein bisschen Kondition und gutes Schuhwerk, am besten Wanderschuhe. Man kann sie zwar abkürzen, aber das wäre wirklich schade, denn jeder Meter ist ein Genuss. Wir mussten es tun, weil es so gemütlich in der malerischen Altstadt von Füssen war und wir etwas spät los gekommen sind. Zudem haben wir uns auf der Runde viel Zeit gelassen, uns einfach treiben lassen und dann beim Rückweg „geschummelt“. Im Sommer können wir wirklich empfehlen, früh am Morgen zu starten. Wir haben nachmittags ordentlich geschwitzt, obwohl es viele schattige Abschnitte und außerdem zwei Badegelegenheiten auf der Runde gibt.

Startpunkt der Runde ist die Altstadt mit ihren gotischen Bürgerhäusern, den verwinkelten Gassen, Barockkirchen – und natürlich dem ersten Schloss der Runde: dem Hohen Schloss! Von dort geht es über die Theresienbrücke. Der Lech, der unten ihr durch fließt, ist wohl meist magisch türkisgrün, so haben wir ihn auch bei unserem letzten Urlaub gesehen. Eine ältere Dame erzählt uns, dass es in Österreich wohl stark geregnet haben muss . Dabei löst sich Material vom Flussbett und färbt das Wasser braun. Wir sind auf jeden Fall bei vollem Sonnenschein unterwegs und kein Wölkchen trübt den Himmel. Deshalb sind wir froh, dass es auf der gegenüberliegenden Seite der Stadt nun auf einem schattigen Kreuzweg hinauf zum Kalvarienberg geht.

Er beginnt an der Kirche „Unsere liebe Frau am Berg“. Auf dem Dachboden befand sich einst wohl ein Schlafraum für Pilger, die auf der Via Claudia Augusta nach Rom unterwegs waren. Wir pilgern auch – hier bereits auf königlichen Pfaden. Denn die Eltern von König Ludwig II., der mit Schloss Neuschwanstein früher wahrscheinlich nicht nur unsere eigenen Prinzessinnen-Fantasien beflügelte, begleiteten und finanzierten den Aufbau des Kalvarienbergs mit. Die sehr gläubige Königin Marie soll sogar zusammen mit ihren Hofdamen während der Arbeiten bei jedem Besuch einen Ziegelstein zur jeweiligen Baustelle hinaufgetragen haben. Fast zeitgleich mit dem Bau zwischen 1837 und 1842 wurde die Ruine Schwanstein von Kronprinz Maximilian, dem späteren König Max II. und Vater von Ludwig II., zu Schloss Hohenschwangau ausgebaut. Und dort werden wir heute überall vorbei kommen. Das ist wirklich vielversprechend. So sind wir schon mitten drin in dieser kulturell einzigartigen Runde.

Zur Zeit des Aufbaus war der Berg noch nahezu unbewaldet, heute laufen wir auf dem sanft ansteigenden Pfad in gemütlichen 40 Minuten durch den Wald zur Anhöhe mit der Plattform auf 953 Meter hinauf. Die 14 neogotischen Kreuzwegstationen sind sehr sehenswert, wie z.B. die Marienkapelle auf der Hirschwiese. Auch Ludwig II. soll den Kreuzweg häufiger besucht haben. Auf der schönen Lichtung machen wir eine kleine Pause, bevor wir weiter zur Plattform gehen. Diese ist wirklich sehr imposant. Oberhalb der Gipfelkapellen ragen drei mächtige Kreuze auf, die Kreuzigungsgruppe.

Besondere Bedeutung hatte für die Königinmutter die Heiliggrab Kapelle, die durch einen Stollengang zu erreichen ist. Dieser wurde durch den Hutlerberg gesprengt. Hier wird ein Splitter vom Kreuze Christi aufgebahrt, der auf Vermittlung von König Max II. 1842 aus Rom zur Füssener Pfarrei St. Mang überführt wurde. Im Gegenzug für die kostbare Reliquie bat der König, das sogenannte „ewige Licht“, das als Symbol zur Erinnerung an die ständige Gegenwart Gottes in der Kapelle brannte, so vor dem Fenster aufzustellen, dass er und seine Frau den Schein nachts von Schloss Hohenschwangau aus sehen konnten.

Oben auf der Aussichtsplattform wissen wir gar nicht, wo wir zuerst hinschauen sollen. Auf die Schlösser, die grandios in die Naturkulisse eingebettet sind, auf die Altstadt von Füssen und in den Schlosspark hinein oder ins Lechtal nach Österreich – jeder Blick ist so anders! Gänsehautmoment … Der Titel der Runde gibt eigentlich schon vor, in welche Richtung es nun weitergeht und wir laufen den Kalvarienberg zur anderen Seite hinab, um über den Schwanseepark zu den Königsschlössern zu gelangen. Der Pfad durch die hohen Bäume ist gut zu gehen. Nach ca. zwanzig Minuten mündet er in einen breiten Waldweg, der direkt in den Park hineinführt. Am Ende des Waldes öffnet sich wieder der Blick zu den Schlössern – und wirkt fast ein bisschen unwirklich. Aber wir sind hier. Genau jetzt im Augenblick.

Der Wind bewegt die Bäume sanft, das hohe Gras leuchtet golden im Sonnenschein, Seerosen schwimmen auf dem glasklaren Wasser – der Schwanseepark scheint direkt einem Bilderbuch entsprungen. Er war ein Lieblingsplatz der bayerischen Königsfamilie. Sie spazierte hier sonntags umher und König Ludwig II. trainierte gerne mit den Pferden auf einer gewalzten Reitbahn. Leider ist sie heute nicht mehr zu sehen, dafür besondere Blumen wie Enzian und Knabenkraut, eine Allgäuer Orchideenart. Den Park ließ Ludwigs Vater, König Maximilian II., im 19. Jahrhundert nach typisch englischem Vorbild angelegen, damit seine Familie entspannt die Natur erkunden kann. Aber auch vor tafferen Touren scheuten weder seine Frau noch die Kinder zurück. Alle waren sie begeisterte Alpinisten. Ungewöhnlich für die Zeit, vor allem für eine Königin.

Am Ostende des Schwansees gelangen wir über den Fischersteig zum Alpsee. Zart streicht der Wind über das glasklare Wasser und es scheint, als würde er ihm damit seine vielen Geschichten entlocken wollen. Hier lauschte der Märchenkönig an seinem 18. Geburtstag einem Überraschungskonzert von Richard Wagner. Dieser versteckte das Orchester im Gebüsch und ließ einen Freund Ludwigs als Lohengrin in einem goldenen Nachen über den See ziehen. Ludwig schien zutiefst berührt zu sein. Der See war wohl ein ganz besonderer Ort für ihn und auch für seinen Vater. Gerne ließ er sich auf einem Boot treiben, las, schwamm und genoss die Augenblicke inmitten der Natur. Er wollte sich sogar eine Seilbahn mit Pfauenwagen von Hohenschwangau zum See bauen, um schneller dorthin zu gelangen. Dabei ist das Schloss nur einen Katzensprung entfernt. Schön, wie es in der späten Nachmittagssonne leuchtet.

Viele Monate des Jahres verbrachte die Königsfamilie hier. Es war für sie mehr als eine Sommerresidenz. Das Schloss war eine zweite Heimat – und für Ludwig immer ein Zufluchtsort, wie später auch Neuschwanstein. Wir haben es schon einmal besichtigt, aber man kann eine Führung auch gut auf der Drei-Schlösser-Runde einbauen. Zur Zeit können die Tickets für die Königsschlösser nur online gebucht werden.

Dem Schloss der Schlösser, Neuschwanstein, wollen wir uns über die wilde Pöllatschlucht nähern. Diese ist kein ‚offizieller‘ Teil der Drei-Schlösser-Runde, aber sehr imposant und lohnenswert. Deshalb laufen wir durch den kleinen Ort Hohenschwangau in Richtung der Wallfahrtskirche St. Coloman und biegen dann in den Pöllatweg ein. Der Weg ist neu gesichert worden. Hier wird uns noch mehr bewusst, in welch fantastische Naturkulisse Ludwig sein Märchenschloss einbettete. Direkt über der Schlucht thront es auf einem senkrecht abfallenden Felsen, der die Pöllatschlucht begrenzt. Es war seine Antwort auf die üppige Fülle der Natur und die perfekte Inszenierung für sein Traumgebilde. Aus beiden zusammen, Natur und Architektur, erschuf er sich eine eigene Welt. Wir genießen diesen fast magischen Moment und kühlen uns ein bisschen im frischen Bergwasser der Pöllat, bevor wir nochmal ein paar Minuten hinauf zur Marienbrücke laufen.

Dieser Anblick ist einfach unglaublich. Darunter fällt die Pöllat als Wasserfall steil in die Schlucht hinein. Lange Zeit visualisierte Ludwig II. dieses Schloss in Form einer mittelalterlichen Gralsburg auf dem Felsen. Diesen Platz nannte er einen kosmischen Einstrahlungsort. Und spätestens hier versteht wahrscheinlich jeder, was dem Märchenkönig diese Gegend bedeutet haben mag, dass er ein unglaubliches Feingespür für die Urkraft eines Ortes besaß und dass Neuschwanstein wie das I-Tüpfelchen auf einer erhabenen Landschaft ist.

Nur schwer können wir uns von dem Anblick lösen, aber es wird Zeit zurückzukehren. Wie im Flug sind die paar Stunden vergangen. Wir sind einfach in einer anderen Welt, einer Anderszeit unterwegs – auf jeden Fall ganz weit weg vom Alltag. Der ist wie wegzaubert. Ursprünglich hatten wir geplant über den Alpenrosenweg nach Füssen zu laufen. Er verläuft als leichter Höhenweg mit fantastischen Blicken oberhalb des Schwanseeparks. Auch diesen ließ Maximilian II. anlegen – für seine Frau Marie. Doch der Schwansee lockt uns für ein abendliches Bad. So erfrischend! Was für herrliche Stimmungen die bald untergehende Sonne mit ihrem gold-roten Licht in die Landschaft zaubert.

Jetzt müssen wir den Alpenrosenweg auf einen anderen Tag schieben und laufen über das Königssträßle zurück nach Füssen. Passend zum königlichen Ausflug kommen wir zur blauen Stunde wieder in der Altstadt an. Und gönnen uns zum Abschluss ein Eis – gleich unterhalb des Hohen Schlosses Füssen, einst Sommerresidenz der Fürstbischöfe von Augsburg. Auch wir haben unsere Sommerresidenz gefunden: Füssen! Wir kehren wieder – und zwar so oft wie möglich.